Aktuelles
Die Stiftung Geobotanisches Forschungsinstitut unterstützt aktuell folgende Projekte:
Habitatverlust und genetische Vielfalt in Raum und Zeit am Beispiel des Scheiden-Wollgrases
Kurzbericht zur Doktorarbeit von Gabriel Ulrich, angegliedert an eine Pilotstudie für ein Monitoring der genetischen Vielfalt in der Schweiz (https://gendiv.ethz.ch/)
Biodiversität besteht aus den drei Ebenen Lebensraumvielfalt, Artenvielfalt und genetische Vielfalt. Innerartliche genetische Vielfalt ist das Rohmaterial, worauf natürliche Selektion wirken kann und stellt somit die Grundlage für die Evolution dar. Sie bildet die Basis für die Anpassung von Arten und Populationen an eine sich verändernde Umwelt. Grosse und durch Genfluss verbundene Populationen zeichnen sich durch eine höhere genetische Vielfalt aus als kleine und isolierte. Schrumpfende Populationsgrössen und der Verlust der Konnektivität von Habitaten sind die Hauptursachen, die zum Verlust von genetischer Vielfalt führen können.
In einem Teil meiner Doktorarbeit erforsche ich den Zusammenhang zwischen zeitlicher Veränderung der Habitate und der genetischen Vielfalt des Scheiden-Wollgrases (Eriophorum vaginatum). Dazu vergleiche ich genetische Daten von historischen und kontemporären Individuen, um Veränderungen der genetischen Vielfalt zu messen. Zudem modelliere ich Habitatveränderungen im Zeitraum, der durch die genetischen Proben abgedeckt wird, um den Zusammenhang zwischen Habitatveränderung und Veränderung der genetischen Vielfalt zu verstehen. Das Scheiden-Wollgras kommt überwiegend in Hochmooren vor. Hochmoore und Moore allgemein sind in der Schweiz in den letzten Jahrhunderten aufgrund von Torfabbau und Trockenlegung für landwirtschaftliche Nutzung in grossem Ausmass zerstört worden. Die damit einhergehende Reduktion der Grösse und Konnektivität von Populationen von Hochmoorarten wie dem Scheiden-Wollgras könnte zu einer starken Reduktion der genetischen Vielfalt in solchen Arten geführt haben. Ob und inwiefern dies der Fall ist, untersuche ich mittels historisch-kontemporären Vergleichen von Proben, die vom gleichen Standort kommen. Bei den historischen Belegen gibt es in der Regel pro Standort nur einen Beleg. Im Sommer 2022 wurden nun kontemporäre Proben an den gleichen Standorten von jeweils 10 Individuen genommen. Mit Proben vom gleichen Standort, aber aus unterschiedlichen Zeithorizonten zu arbeiten, erlaubt es nicht nur räumliche, sondern auch zeitliche Unterschiede der genetischen Vielfalt zu messen.
Wir haben im Sommer 2022 insgesamt 187 verschiedene Standorte in der ganzen Schweiz zwischen 370 m bis 2300 m.ü.M besucht. An 131 dieser Standorte konnten wir das Scheiden-Wollgras auffinden und beproben. Die meisten Orte, von denen wir historische Nachweise haben, aber bei unserer Feldarbeit die Art nicht mehr gefunden wurde, liegen im Mittelland. Dies entspricht der Erwartung, da im Mittelland die meiste Moorfläche wegen der landwirtschaftlichen Intensivierung, Zunahme der Bevölkerungszahl und des Abbaus von Torf verloren ging. Die anspruchsvollen Extraktionen des Erbguts (DNA) der historischen Proben des Scheiden-Wollgrases sind nun abgeschlossen und die genetischen Daten konnten generiert werden. Somit hat nun die Analyse der genetischen Daten begonnen. Wir können die typischen Degradationsmuster der DNA beobachten, die die extrahierte DNA als historische DNA verifizieren, aber gleichzeitig die weiteren Analysen deutlich erschweren. Die typischen Muster beinhalten starke Fragmentierung der DNA und Änderung der Basen an den Enden der Fragmente (Deaminationen).
Ich erarbeite nun eine Analyseprozedur die es erlaubt, genetische Vielfalt in den historischen Proben zu quantifizieren und mit den modernen Proben zu vergleichen. In einem nächsten Schritt werde ich die Veränderung der Habitate des Scheiden-Wollgrases mittels historischen und kontemporären Umweltdaten modellieren, um den Zusammenhang zwischen Habitatveränderung und Veränderung
der genetischen Vielfalt besser zu verstehen.
Einfluss des Klimawandels auf die Verletzlichkeit von Bäumen
Im vergangenen Sommer unterstützte die Rübel-Stiftung die Arbeit von Dr. Alana Chin, die sich für die Fähigkeit von Bäumen, Wasser über ihre Rinde aufzunehmen interessiert. Das kann den Bäumen helfen, Trockenheits- und Frostschäden zu reparieren, welche verschiedene Schweizer Baumarten in den durch den Klimawandel wärmeren und trockeneren Sommern erleiden. Bis anhin konzentrierten sich die meisten Studien auf die Blätter der Bäume, Dr. Chin konzentriert sich jetzt auf die Wasseraufnahme über die Rinde. Zu diesem Zweck sammelten Dr. Chin und ein Forschungsassistent mit einer 2 m hohen Steinschleuder Zweige ein, brachten fluoreszierende Tracer an diesen Zweigen an, um die Wasserbewegung über die Zweige zu verfolgen, und massen weitere anatomische Merkmale, um zu verstehen, wie das Wasser von sechs verschiedenen Schweizer Baumarten aufgenommen wurde. Sie fand grosse Unterschiede zwischen den Arten in Bezug auf die Wasseraufnahmefähigkeit sowie Hinweise darauf, dass sich die Wasseraufnahmewege zwischen den Baumarten unterscheiden. Dr. Alana Chin erhielt ein ETH-Stipendium auf der Grundlage dieser Arbeit, die sie kürzlich auch zur Veröffentlichung eingereicht hat. Dr. Chin sagt: “I am very grateful for the support of the Rübel Foundation, without which it would not have been feasible to collect this important data for as many tree species.”
Baumwachstum und Länge des Sommers
Im Herbst 2022 besuchte uns Dr. Elizabeth Wolkovich von der University of British Columbia. Wir arbeiten derzeit an einem Übersichtsprojekt, um herauszufinden, wie und wann längere Vegetationsperioden das Baumwachstum steigern, und entwerfen Experimente, die diese Frage beantworten können. Dieses Thema hat grosse Auswirkungen auf die Wälder der Zukunft und das Ausmass des zukünftigen Klimawandels selbst, und wir setzen diese Arbeit fort, indem wir mit einem internationalen Team von Mitarbeiter:innen eine Übersichtsarbeit verfassen. Zweigquerschnitt zur Messung der Wasseraufnahme. Rote Flecken zeigen gesundes, unbeschädigtes Gewebe. Ausserdem haben wir ein neues internationales Experiment initiiert (das in unseren jeweiligen Institutionen in Kanada und der Schweiz durchgeführt wird), um einige der Ideen aus unseren gemeinsamen Diskussionen zu testen. Dieses Projekt wäre ohne die ausführlichen und persönlichen Gespräche zwischen Dr. Wolkovich und den Mitgliedern der Pflanzenökologie-Gruppe nicht möglich gewesen. Dr. Wolkovich bedankt sich mit diesen Worten: “Many thanks to Rübel Foundation for supporting my sabbatical visit to the Plant Ecology Group whichhas been pivotal for my research program by allowing us to build a new collaborative line of inquiry with the
Plant Ecology Group”.
Biodiversität von Alpenpflanzen ihren Bestäubern
Dr. Sarah Richman untersucht auf unseren experimentellen Flächen auf dem Calanda (GR) die Biodiversität von alpinen Pflanzen und deren Bestäubern und will herausfinden, wie diese durch den Klimawandel beeinflusst werden könnten. Dabei setzt sie verschiedene neue Technologien ein. So untersucht sie beispielsweise, wie sich die Ernährung der Bienen unter verschiedenen Umweltbedingungen verändert, indem sie die von den Bienen gesammelten Pollen mittels DNA-Metabarcoding identifiziert. Ebenso setzt sie Wildkameras und Ansätze des maschinellen Lernens (künstliche Intelligenz) ein, um Wildblumen auf Bildern zu identifizieren. Das ermöglicht uns festzustellen, wie sich die Pflanzen- und Bestäuberarten im Laufe der Vegetationsperiode und in verschiedenen Mikrohabitaten (z. B. Wald und Wiese) verändern. Die Rübel-Stiftung ermöglichte diese Arbeit, indem sie die Reisen ins Feld und die Feldassistent:innen unterstützte. Darüber hinaus trug die Rübel-Stiftung zu unserem Lehrauftrag bei, indem sie eine Masterstudentin der ETH Zürich (Caterina Massa) unterstützte, die mit Dr. Richman zusammengearbeitet hat. Caterina untersucht, wie sich die Körpergrösse von Bienen in verschiedenen Höhenlagen unterscheidet.
In der Vergangenheit wurden unter Anderen folgende Projekte unterstützt:
Biologische Arten bilden die grundlegende Einheit in der Ökologie, der Evolution und im Naturschutz. In der Praxis ist es jedoch oft schwierig, einzelnen Individuen oder Proben der richtigen Art zuzuordnen. Fehlerhafte Artbestimmungen können jedoch bei Untersuchungen zur Ökologie oder Evolution von Organismen zu falschen Schlussfolgerungen führen. Auch im Naturschutz ist das richtige Erkennen von Arten zentral, denn die mit dem Naturschutz verbundene Gesetzgebung basiert ebenfalls auf dem Artniveau (seltener auch auf anderen taxonomischen Stufen).
Schwierigkeiten bei der Zuordnung von wissenschaftlich korrekten Artnamen zu einzelnen Individuen oder Proben treten insbesondere dann auf, wenn nicht alle Merkmale, die für die Artbestimmung relevant sind, vorhanden sind. So basiert beispielsweise die Identifikation bei vielen Pflanzenarten auf Merkmalen an Blüten und Früchten. Wenn diese fehlen, ist eine zuverlässige Artbestimmung oft schwierig oder unmöglich, insbesondere in artenreichen Organismengruppen.
Madagassische Rosenhölzer gehören in die artenreiche Gattung Dalbergia in der Familie der Fabaceae (Schmetterlingsblütler). Diese Gattung ist in den gesamten Tropen verbreitet und umfasst gegen 300 Arten. Während viele Dalbergia Arten als Lianen oder Sträucher wachsen, bilden andere Arten grosse Bäume. Einige dieser Arten haben sehr dichtes, intensiv farbiges Kernholz und sind als Rosenhölzer bekannt. Sie werden insbesondere für den Bau von Musikinstrumenten und in der Möbelindustrie verwendet. In Madagaskar, wo zahlreiche Rosenhölzer vorkommen, werden die Bäume im grossen Umfang illegal geschlagen und verkauft. Um geltende Schutz- und Kontrollbestimmungen zu umgehen, werden viele Holzlieferungen mit falschen Herkunftsangaben oder wissenschaftlichen Namen versehen. Um dies zu unterbinden, sind Methoden nötig, die eine rasche Zuordnung von Holzproben zu biologischen Arten ermöglichen. Im Weiteren sind einfache Identifikationsmethoden nötig, um die Arten in der Natur zu identifizieren, denn Blüten und Früchte werden nur sporadisch gebildet und die meisten Arten sind auf Grund ihrer Blattform und Behaarung nicht sicher zu unterschieden. Aus diesem Grund entwickeln wir molekulare Methoden zur Artbestimmung. Ziel ist es, mittels DNA Analyse jedem Baum oder jeder Holzprobe den korrekten wissenschaftlichen Artnamen zuordnen zu können und damit einen Beitrag zur besseren Kenntnis und zum Schutz der Rosenhölzer zu leisten.
Simon Crameri bearbeitet dieses Projekt im Rahmen seiner Doktorarbeit, welches von der Stiftung Rübel unterstützt wird.
Diversität von Pflanzengemeinschaften und Klimawandel
Die Diversität von Pflanzengemeinschaften ist und bleibt eine spannende Frage in der Ökologie. Immer noch wissen wir nur wenig darüber, was die Verteilung und die Abundanz von Arten mit ähnlichen Bedürfnissen bestimmt. Deshalb können wir nach wie vor den Einfluss des sich ändernden Klimas auf verschiedene Pflanzengemeinschaften nicht prognostizieren. Die einheimische alpine Flora ist in vielen Belangen ideal, um diese Fragen zu untersuchen. Die Vielfalt von Arten gibt uns verschiedene Optionen, das Gebiet zu untersuchen Dazu kommt, dass einige dieser Arten gut über verschiedene Höhenstufen verpflanzt werden können und wir somit untersuchen können was passiert, wenn Pflanzen von höheren Lagen in tiefere Höhenstufen gebracht werden und dadurch eine Art “Klimaerwärmung” erleben. Das Experiment läuft jetzt schon seit zwei Jahren und wir haben nun genug Daten, um die Analysen durchzuführen. Erste Ergebnisse aus einem Verpflanzungsexperiment zeigen schon einige Trends. Von den drei Arten, welche im Zentrum unserer Untersuchungen stehen, bevorzugt vor allem Dactylis glomerata (Wiesen-Knäuelgras) die Konditionen welche auf 1600 m.ü.M. herrschen. Helianthemum nummularium (Gewöhnliches Sonnenröschen) scheint von unserer simulierten wärmeren Umgebung grösstenteils unbeeinflusst – sogar auf der tiefsten Höhenstufe von 1000 m.ü.M. Die dritte Art, Alchemilla xanthochlora (Gemeiner Frauenmantel) bewegt sich irgendwo in der Mitte dieser beiden Extreme. Kombinieren wir das unterschiedliche Verhalten dieser drei Arten in Bezug auf die klimatischen Bedingungen, erhalten wir ein kompliziertes Bild von dem was in Zukunft passieren könnte. Zum Glück helfen mathematische Modelle, diese Komplexität zu entflechten und neue Einsichten in Prozesse zu ermöglichen, welche solche Pflanzengemeinschaften steuern.
Neu seit letztem Jahr haben wir an jedem unserer fünf Standorte auch Windmessgeräte. Wir brauchen diese Daten um das Verbreitungspotential der drei Arten zu berechnen. Obwohl die Windmuster an den verschiedenen Standorten sehr heterogen sind, und die Verwendung von Winddaten für die Berechnung des Verbreitungspotentials von Arten in der Ökologie noch nicht sehr lange erforscht wird, sind wir zuversichtlich, dass wir mit unserem Ansatz interessante Muster berechnen können. Jacob Usinowicz, Postdoc in der Levine Gruppe, bearbeitet dieses Projekt, welches von der Stiftung Rübel unterstützt wird.